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  • Veröffentlichungsdatum 02.07.2024

„Matthias-Vernaldi-Preis für selbstbestimmtes Leben“ verliehen

Johannes Messerschmid und Ursula Lehmann für herausragendes Engagement ausgezeichnet

v.l. Preisträger Johannes Messerschmid, Vorständin Birgit Monteiro und Bärbel Reichelt, die den Preis für Ursula Lehmann in Empfang nahm © Julia Meumann

In einer feierlichen Zeremonie auf dem Sommerfest der Kaspar Hauser Stiftung wurde der „Matthias-Vernaldi-Preis für selbstbestimmtes Leben“ an Johannes Messerschmid verliehen. Gleichzeitig erhielt Ursula Lehmann posthum eine Ehrung für ihr selbstbestimmtes und kämpferisches Leben mit einem Sonderpreis. Ihre langjährige Freundin und Wegbegleiterin Bärbel Reichelt nahm den Preis für sie in Empfang.

Dieses Jahr verzeichnete die Kaspar Hauser Stiftung so viele Bewerbungen wie nie zuvor. Das Sonder-Kriterium „Arbeitsmarkt“ stieß auf große Resonanz und spiegelte die aktuelle Relevanz des Themas wider. Das war ein toller Rekord und eine besondere Herausforderung für die Jury, die alle Unterlagen sichten und auswerten musste. Es gab Nominierungen sowohl für bekannte Aktivistinnen und Aktivisten und Organisationen, die seit vielen Jahren erfolgreich arbeiten, als auch für Einzelkämpferinnen und -kämpfer, deren persönliche Lebensläufe beeindruckten. Nach eingehender Beratung entschied sich die Jury, den Preis an Johannes Messerschmid zu vergeben, um seine herausragende Arbeit weiter zu unterstützen.

Für die Preisverleihung reiste Johannes Messerschmid extra aus München an und in seiner Dankesrede sagte er: „Die Kolleginnen und Kollegen vom Behindertenbeirat haben mich heimlich vorgeschlagen und plötzlich bekomme ich einen Anruf, dass ich einen Preis gewonnen habe! Einen Preis für meine Arbeit und was ich alles für Menschen mit Behinderung gemacht habe. Da war ich ganz schön platt!“

Johannes Messerschmid: Ein wegweisender Aktivist
Johannes Messerschmid ist langjähriges Mitglied des Behindertenbeirats der Landeshauptstadt München und wegweisender Aktivist in der Behindertenbewegung. Geboren 1952, erkrankte er im Alter von sechs Jahren an Polio und ist seither fast vollständig gelähmt und auf künstliche Beatmung angewiesen. Er musste viele Hürden überwinden, um sich ein selbstbestimmtes Leben in seiner eigenen Mietwohnung mit persönlicher Assistenz aufzubauen.
Johannes Messerschmid studierte Elektrotechnik und Sozialpädagogik und arbeitete erfolgreich als Diplom-Sozialpädagoge. Er ist ein leidenschaftlicher Verfechter der Selbstbestimmung und nutzt seine Erfahrungen, um anderen Menschen Mut zu machen. Eine seiner bedeutendsten Leistungen ist die Mitgründung des Verbunds Behinderter Arbeitgeberinnen (VbA) München im Jahr 1990. Der VbA war ein Pionier bei der Entwicklung des heutigen Assistenzmodells, das es Menschen mit Assistenzbedarf ermöglicht, als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu agieren und ihre Assistierenden selbst zu beschäftigen. Johannes Messerschmid war viele Jahre im Vorstand des VbA und später in der Beratung tätig. Heute engagiert er sich ehrenamtlich in der Peer-to-Peer-Beratung, wo er Betroffene unterstützt und sie ermutigt, ihre eigenen Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten zu gestalten und setzt sich regelmäßig durch Beiträge zu gesellschaftspolitischen Themen der Behindertenbewegung für eine bessere Welt ein.

Ursula Lehmann: Für ein selbstbestimmtes und kämpferisches Leben
Zusätzlich würdigte die Jury in diesem Jahr posthum das selbstbestimmte und kämpferische Leben von Ursula Lehmann mit einem Sonderpreis. Ursula Lehmann war eine kämpferische, ja sogar verwegene Aktivistin, die sich für die wirksame Beseitigung von materiellen und geistigen Barrieren in Köpfen, Behörden, Straße, Gebäuden und Verkehrsmitteln bereits zu einer Zeit einsetzte, als Barrierefreiheit noch ein ungewohntes Fremdwort war. Gemeinsam mit anderen machte sie seit den 70er Jahren auf Tapetentischen mit Plakaten und Flugblättern ihre Forderungen publik. Protest-Demos, Briefe an Verantwortliche, Petitionen gegen Missstände, die unermüdliche Arbeit in zahlreichen Gremien und Initiativen begleiteten sie ihr Leben lang.

60 Jahre lang organisierte sie sich ihre Assistenz selbst, am Ende war ihre Kraft erschöpft. Ursula Lehmann, deren Drang nach Unabhängigkeit und Freiheit legendär war, verstarb im Dezember 2023 - unter nicht vollständig geklärten Umständen und ohne dass ihr Freundeskreis ihr beistehen konnte, in einem Berliner Krankenhaus. Die Menschen, die ihr nahestanden und sie unterstützten, machen dafür auch die unzureichende Rechtslage verantwortlich. Ursula Lehmanns langjährige Freundin und Wegbegleiterin Bärbel Reichelt nahm den Preis für sie in Empfang und erinnerte in ihrer Laudatio daran, wie wichtig es ist, weiterhin für Aufklärung und Veränderung zu kämpfen.

Die Preisverleihung fand im Rahmen des alljährlichen Sommerfests der Kaspar Hauser Stiftung statt, das als Plattform für den Austausch und die Begegnung zwischen den Mitarbeitenden mit und ohne Assistenzbedarf dient. Das Fest bot ein vielfältiges Programm mit Musik, kulinarischen Spezialitäten und zahlreichen Aktivitäten.

Über die Kaspar Hauser Stiftung
Die Kaspar Hauser Stiftung ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Unterstützung und Inklusion von Menschen mit Assistenzbedarf einsetzt. Sie bietet eine breite Palette an Dienstleistungen an, die darauf abzielen, die Selbstbestimmung und Teilhabe in allen Lebensbereichen zu fördern.

Kontaktperson:
Julia Meumann, Öffentlichkeitsarbeit
Mobil 0176 601 843 03
Telefon (030) 474 905 50
Fax (030) 474 905 99
Rolandstraße 18/19, Villa, 1. OG