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  • Veröffentlichungsdatum 22.07.2024

Engagement und Inklusion: Pressetour durch sozialpsychiatrische Einrichtungen

Daniela Keßler, Einrichtungsleiterin beim Niedrigschwelligen Wohnverbund, Prowo Berlin © Holger Groß/Paritätischer Berlin

So sieht erfolgreiche Verbandsarbeit in der Praxis aus: Mitte Juli organisierte das Referat Soziale Psychiatrie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin eine Pressetour. Journalistinnen und Journalisten waren eingeladen, Einrichtungen zu besuchen, die beispielhaft für die außerklinische, psychosoziale Versorgung in Berlin stehen und zeigen, wie und wo in unserer Stadt Teilhabe jeden Tag gelingt. Ohne gemeinsames Engagement ist die Organisation einer solchen Veranstaltung nicht denkbar. Mitglieder der Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit des Referats verteilten die Presseeinladung über ihre eigenen Netzwerke und unterstützten bei der Anfrage nach Experten, die im Bus mitfuhren und für fachlichen Input sorgten. Die Einrichtungsleitungen organisierten die Besuche vor Ort, stellten Unterlagen zur Verfügung und schufen Möglichkeiten für direkten Kontakt und Gespräche mit Betroffenen.

Erste Station war eine Einrichtung des Unionhilfswerk in der Kirchgasse in Neukölln. In fünf Wohngruppen werden dort psychisch kranke Erwachsene nach der Entlassung aus einer Klinik oder dem Maßregelvollzug so lange therapeutisch begleitet, bis sie sich wieder so eigenständig wie möglich im Leben zurechtfinden. Mitten in der Stadt und gut eingebunden in die Nachbarschaft werden hier Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen begleitet, oder vielmehr „aufgefangen wie ein Seiltänzer“. So jedenfalls beschreibt der frühere Bewohner Marcus Zeidler sein Ankommen in dieser besonderen Wohnform. Heute lebt Zeidler betreut in einer eigenen Wohnung und arbeitet ehrenamtlich in einem Altersheim in Treptow. „Wir begreifen uns hier als eine Übergangseinrichtung“, erklärt Einrichtungsleiterin Carolin Rosner, „die Verweildauer ist auf 2-3 Jahre angelegt, variiert aber individuell.“ Für die Zukunft wünscht sich Rosner noch bessere Möglichkeiten für die Klientinnen und Klienten, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen: „Unsere Bewohner möchten sich gerne auch außerhalb des therapeutischen Settings erproben.“ 

Der zweite Besuch galt einem Modelprojekt der Prowo in der Scharnweberstraße in Friedrichshain. Dort finden psychisch erkrankte, wohnungslose Menschen nicht nur Obdach, sondern auch sozialpsychiatrische Unterstützung. Das Besondere an dieser Einrichtung, die aus einer gemeinsamen Initiative des Bezirks, des Vivantes Klinikums Am Urban und Prowo hervorgegangen ist: Die Unterbringung und sozialpsychiatrische Betreuung kann sowohl über die Eingliederungshilfe nach § 123 SGB IX über den Teilhabefachdienst als auch über die Leistungen der Sozialen Wohnhilfe des Bezirks (ASOG) finanziert werden. Einrichtungsleiterin Daniela Keßler: „Sozialarbeit ist Beziehungsarbeit. Zwei Hilfesysteme in einem Haus ermöglichen fließende Übergänge ohne den Abbruch von Betreuungs-Beziehungen.“ Nach vier Jahren Laufzeit zeigt sich die Tragfähigkeit des Modells und die vollen Wartelisten zeigen den Bedarf. Und dennoch steht das Projekt an diesem Standort eventuell schon bald vor dem Aus. Der Grund: eine anstehende Mieterhöhung um 100 Prozent! „Es ist absurd, dass wir pauschal festgelegte Sätze für die Unterbringung der Klienten bekommen, aber gleichzeitig auf dem freien Markt als Gewerbemieter agieren müssen“, erklärt Prowo-Geschäftsführerin Ulrike Hörrmann-Lecher, und fügt hinzu: „Die Wohnungslosenhilfe steht quasi kurz vor der Obdachlosigkeit.“    

Auch das soulspace im Haus der Parität in der Kreuzberger Grimmstraße ist ein Modelprojekt. Hier zeigt der Klinikkonzern Vivantes in Kooperation mit ajb, einem freien Träger der Jugendhilfe, eindrucksvoll, wie Unterstützung für junge Menschen in Krisen organisiert werden muss. „Wir haben einen Ort geschaffen, an dem Jugendliche und junge Erwachsene unbürokratisch und in vertrauensvoller Atmosphäre Hilfe erhalten“, erklärt Einrichtungsleiter Mario Schellong. Wie katastrophal die Versorgungslage für junge Menschen ist und wie wichtig Projekte wie soulspace sind, wird klar, wenn man der 29-jährigen Nutzerin Genna-Luisa Thiele zuhört: „Ich stand mit beiden Beinen fest im Leben und alles war gut. Bis eines Tages nichts mehr gut war und ich auf der Arbeit zusammenbrach. Ich habe daraufhin bei über 90 Praxen angerufen und nach einem Therapieplatz gefragt. Hätte mich die Klinik nicht an soulspace vermittelt, ich weiß nicht, wie es weiter gegangen wäre.“ 

Zum Abschluss der gut angenommenen Veranstaltung überzeugten sich die Teilnehmenden in der Raststätte der VIA Blumenfisch am Südkreuz bei einem gemeinsamen Essen davon, dass diese Lokalität sehr zu Recht ein beliebter Ort für Mittagstisch ist. Sie bekamen außerdem eine Vorstellung davon, wie inklusives Arbeiten in einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen aussieht. Die Raststätte ist mehr als ein Ort zum Essen. Sie ist ein Beispiel dafür, wie Inklusion und berufliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen erfolgreich umgesetzt werden. „Unsere Mitarbeitenden sammeln wertvolle berufliche Erfahrungen in einem unterstützenden Umfeld“, erklärt Betriebsstätten Leiter Jens Kotte. Die Raststätte ist für die Öffentlichkeit zugänglich und überzeugt mit Qualität und einer Auswahl frischer, gesunder Mahlzeiten. 

Die Pressetour war ein Erfolg. In den danach veröffentlichten Medienberichten wurde klar, wie engagiert und erfolgreich Menschen in diesen Einrichtungen geholfen wird und wie wichtig es ist, dies sichtbar zu machen. 

  • Markus Zeidler, ehemaliger Bewohner des Übergangswohnheims © Holger Groß/Paritätischer Berlin
  • Therapiegarten im Übergangswohnheim des Unionhilfswerk in Neukölln © Holger Groß/Paritätischer Berlin
  • Daniela Keßler, Einrichtungsleiterin beim Niedrigschwelligen Wohnverbund, Prowo Berlin © Holger Groß/Paritätischer Berlin
  • Flyer des "Soulspace" von ajb und Vivantes am Urban für junge Menschen in Krisen © Holger Groß/Paritätischer Berlin
  • Genna-Luisa Thiele, Nutzerin des "Soulspace" für junge Menschen in Krisen © Holger Groß/Paritätischer Berlin

Kontakt beim Paritätischen Berlin

Christine Göttert
Mitarbeiterin im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Referate soziale Teilhabe
Telefon: 030 86 001-554
E-Mail: goettert[at]paritaet-berlin.de
Uwe Brohl-Zubert
Referent Soziale Psychiatrie/ Queere Lebensweisen
Telefon: 030 86 001-555
E-Mail: brohl-zubert[at]paritaet-berlin.de

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